Von Honza Klein
Sollte es ein Ranking über die schönsten Skylines der Welt geben, rangiert Shanghai sicherlich ganz weit vorn. Vermutlich haben viel schon einmal die Silhouette der sicherlich westlichsten (und das ist nicht geografisch gemeint) Stadt Chinas gesehen. Schon in den 20iger Jahren war Shanghai Anziehungspunkt für viele: Flüchtlinge aus Europa, Händler, Spione. Damals freilich gab es schon die Uferstraße Bund aber auf dem anderen Ufer des Huangpu Jiang, in Pudong, waren dereinst noch Felder. Heute ist dort die erwähnte Skyline zu bewundern und Pudong ist eine chinesische Sonderwirtschaftszone. Geprägt von Hochhäusern die in Rekordgeschwindigkeit in den vergangen Jahren in den Himmel wuchsen. Am bekanntesten ist wohl der Oriental Pearl Tower. Das alles illuminiert mit jeder Menge Lichteffekte und Werbung. Sogar auf dem Wasser auf den vorbeiziehenden Schiffen.
In Pudong findet man auch bekannte Hotels wie Kempinski oder auch Ritz-Carlton. Letzteres gehört bekanntermaßen zur Marriott-Gruppe. Sie verfügt auch über den vielleicht besten Platz in der Megacity. Das Hotel W liegt nördlich vom Bund mit Blick über den Fluss auf die neue Stadt. Hat man ein Zimmer zur Flussseite erwacht man mit vielleicht der schönsten Aussicht Shanghais. Das setzt sich fort beim Frühstück auf der Terrasse bzw. beim abendlichen Drink an der Bar. Lediglich der Smog trübt mitunter die Sicht. Aber ganz sicher ist die Terrasse des W einer der besten Plätze zum Staunen in Shanghai. Auch wenn man dort nicht wohnt lohnt ein Besuch. Zumal Taxi fahren extrem günstig ist. Allerdings muss der Taxifahrer mögen. Erstens ist es mit den Englischkenntnissen der meisten Fahrer doch eher nicht so gut bestellt. Und manchmal hat man ihnen dann erklärt wohin man will, ihnen das in der Ferne leuchtende W gezeigt, und hört dann: „Nein da fahre ich nicht hin.“ Aber zum Glück gibt es reichlich Taxis.
Apropos. Überhaupt haben die Chinesen in Punkto Freundlichkeit und Service noch einigen Nachholbedarf. Dies gilt ausdrücklich nicht für die Hotels, die international gemanagt werden. Etwa die genannte Marriott-Gruppe. Dieser steht in Shanghai und ganz China übrigens ein alter bekannter vor. Jedenfalls für Berliner. Rainer Bürkle, der einst das Ritz-Carlton Schlosshotel im Grunewald als GM leitete und nach einem Abstecher nach Istanbul das Ritz-Carlton am Potsdamer Platz übernahm. Ihn kann man ohne Wenn und Aber als einen der großen Hoteliers bezeichnen. Aber das nur am Rande. Zurück zum Service in China. Bzw. schon auf dem Weg dahin. Etwa mit Air China. Um es gleich zu sagen: Keine gute Idee. Stewardessen, die offensichtlich in einer Kaserne geschult wurden. Etwa die Bitte: „Können sie bitte das Fenster verdunkeln“, wird einem mit einem mürrischen „Close the Window“ mit mindestens drei Ausrufungszeichen entgegen geschleudert. Zum Essen wird ein halbes Glas Wein serviert und die Frage nach noch einem wird mit einem Blick quittiert als hätte man ein unsittliches Angebot gemacht. Wein gibt’s natürlich keinen mehr. Also Bordprogramm. Oh, das gibt es nur in Englisch, Französisch und Chinesisch. Na immerhin läuft u.a. James Bonds Skyfall mit spektakulären Bildern Shanghais. Eine passende Einstimmung. Also von schlechtem Service kann man nun bei Air China nicht sprechen. Es gibt einfach gar keinen Service. So kommt man wenigstens einigermaßen unbelästigt an. Und wieder eine Fluglinie aus dem Portfolio gestrichen. Rückflug zum Glück mit Qatar Airways. Aber erst einmal rein nach Shanghai.
Gleich davor findet sich die ungewöhnlich Queen Emma Bridge. Wohl weltweit einzigartig. Sie verbindet die beiden Stadtteile Punda und Otrabanda versperrt jedoch den Eingang zu dem Natur-Hafen-Becken welches wohl ein Grund für den Aufschwung der Insel war. Erst nutzen es die Spanier, Engländer, später die Holländer als Umschlagort für Sklaven. Heute nun ist Öl das Geschäft.
Wenn also ein Schiff hindurch will, wird die Bücke einfach zu Seite bugsiert. Mitsamt Menschen darauf. Offensichtlich noch ohne irgendwelche EU-Normen. Keine Absperrungen, keine Wärter, die dafür sorgen, dass man nicht doch von der Kante fällt. Besonders voll ist es jedoch sowieso nicht auf der Queen Emma Bridge. Außer wenn wieder mal die Kreuzfahrer kommen. Bis zu vier Schiffe liegen dann vor oder direkt hinter der Brücke und die Touristen erobern die Altstadt und oder machen Ausflüge zu den Stränden.
Besonders beliebt sind dabei die Kleine und einen Steinwurf weiter die Grote Knip. Zwei schöne Buchten mit glasklarem Wasser, Strand, eingefasst von Klippen von den Mutige den Sprung wagen. Fast ganz im Westen gelegen ist hier sonst fast nur Wildnis. Die Orte sind winzig aber es gibt ein paar Herbergen und einige Restaurants an den Klippen mit schönem Ausblick und den traditionellen Gerichten der Insel. Das sind vor allem deftige Suppen und Eintöpfe und vor allem Fleisch von Ziegen, Hühnern aber auch Leguan. Natürlich auch allerlei Fisch.
Auch ein eigentlich afrikanisches Tier hat es auf die Speisekarte geschafft. Im Süden der Insel werden Strauße. Aus der einst nur als reine Zucht für den Verzehr geplanten Anlage ist inzwischen ein Ausflugsort geworden. Von dort kann man auch Touren in die Wildnis machen. Etwa zur Sint Joris Baai, die bei Kitesurfern sehr beliebt ist.
Am besten erkundet man die Stadt wohl zu Fuß. Eines der schönsten, traditionellsten Viertel ist sicherlich Yuyan Garden unweit des Bund. Hier spürt man noch traditionelles China. Kleine Händler und Handwerker, Garküchen, Architektur wie aus dem China-Klischee. Gleiches gilt übrigens auch für den Jingan Tempel im gleichnamigen Bezirk. Yuyuan Garden ist wohl der chinesischste Ort Shanghais und bestimmt auch einer der auf alles Fotos der Touristen auftaucht. Allerdings sollte man an einem der Souvenir- und Buchstände die Linse nicht auf Maos Rote Bibel richten. Das wurde doch mit sehr großem Unwillen quittiert.
Besonders schön ist es jedoch auch sich abseits des Bund und er dahinter liegenden Altstadt zu ergehen. In die Viertel, die noch nicht von Touristen und Wirtschaft entdeckt sind. Hier findet man kleine Restaurants, traditionelle Häuser und auch die Menschen sind ein wenig freundlicher.
Wer dann nach Pudong hinüber geht - entweder per Fähre oder per U-Bahn im Tunnel - landet in einer anderen Welt, ja in einem anderen Jahrhundert. Hier bekommt man ganz deutlich einen Eindruck dafür, wenn man in Europa mitunter hört, die Zukunft gehöre China. Die wird deutlich an den futuristischen Bauten, am System des öffentlichen Nahverkehrs, ausschließlich elektrischen Mopeds, vielen Elektroautos chinesischen Bauart, die teils exklusiver als eine S-Klasse sind und nicht zuletzt an der allgemeinen Vernetztheit. Die wird deutlich beim Kauf einer Flasche Wasser im Supermarkt. Beim Versuch mit Kleingeld zu zahlen, meint die Verkäuferin: „Cash is very inconvenient.“ So gut wie jeder zahlt mit dem Handy. Das ist wohl das spannende an Shanghai. Diese Mischung aus absoluter Moderne und Tradition.
Wer es so richtige traditionell will, der sollte einen Ausflug in die etwa 150 Kilometer entfernte Wuzhen West Scenic Zone machen. Dort bekommt man einen Einduck, wie das Leben im ländlichen China bis vor Jahren war und teils wohl noch immer ist. Zwar macht Wuzhen inzwischen den Eindruck eines touristischen Disneylands, es ist jedoch alles authentisch. Noch immer sind kleine Handwerksbetriebe ansässig, wiederum die verschiedensten Garküchen und man kann etwa die Herstellung von Soja-Sauce beobachten. Auch wenn es da nicht viel zu sehen gibt, weil die Sauce in Krügen reifen muss. Durch das Gebiet ziehen sich etliche Kanäle und man hat fast das Gefühl in Venedig zu sein. Gut zwei Stunden dauert die Fahrt von Shanghai aus. Übrigens auf einer modernen Autobahn.
Wer einmal in Shanghai war, geht mit dem Gefühl, dass wohl wirklich die Zukunft Asien gehört, etliches nicht gesehen zu haben und ist deshalb sicher: Ich kommen wieder!