Von Honza Klein
Beim Blick aus dem Hotelfenster ist man versucht, sich am Ohr zu kneifen. Ist das Realität oder nur eine Postkartenansicht? Schließlich liegt das Grand Resort Bad Ragaz mitten im Heidiland, umgeben von majestätischen Bergen und saftig grünen Wiesen.
Das Jahr 1242 war ein für mittelalterliche Verhältnisse eher ruhiges Jahr. Sieht man mal vom Sieg des russischen Fürsten Alexander Newski über den Deutschen Orden ab, mit dem er eine Katholisierung seiner Russen verhinderte. Im gleichen Jahr siegt der Franzose Ludwig IX. gegen den Engländer Heinrich III., Kiel wird erstmals urkundlich als Stadt erwähnt und in der wilden Taminaschlucht unweit des Rheins geht ein Vögeljäger auf die Jagd und entdeckt eine warme Quelle. 36,5 Grad warm ist das Wasser und schon bald nach der Entdeckung wird die wohltuende Wärme zur Heilung von Kranken genutzt. So verwundert es nicht, dass gut 100 Jahre später der Arzt und Naturforscher Paracelsus die »Tigend, Kraft und Würkung« der Quelle lobt und ihre Heilwirkung bestätigt. Selbst Heidis Freundin Clara kam nach Bad Ragaz zur Kur.
Heutzutage wird die heilende Wirkung übrigens von einer Armada von Ärzten im hauseigenen Gesundheitszentrum begleitet. So waren Otto Rehhagel und seine griechischen Fußballer zur Weltmeisterschaftsvorbereitung zu Gast, Werder Bremen ließ sich hier fit machen ebenso wie der FC Liverpool und Tennisprofi Roger Federer.
Doch noch einmal kurz zurück in die Geschichte.
Wiederum zwei Jahrhunderte nach Paracelsus wurde ein neues Gebäude für die fürstliche Statthalterei Ragaz errichtet. Damit ist der Bogen nun endgültig in das Hier und Heute geschlagen. Ist doch das damalige Palais mit seiner Fürstensuite und der Äbtestube heute Teil des Grand Resort Bad Ragaz.
Ebenfalls mit Whirlpool und Sauna ausgestattet, riesigem Bad und aus den Wasserhähnen der Spa Suites kommt das Wasser direkt aus der Thermalquelle. So kann man am Abend sein ganz privates Thermalbad nehmen. Vielleicht nachdem man mit einem hoteleigenen E-Bike (eines dieser neuartigen per Elektromotor unterstützten Fahrräder) die Landschaft erkundet hat oder das nur Hotelgästen zugängliche Helenabad mit Saunawelt als Entspannung vom Tag gewählt hat.
Im Sommer indes ist sicherlich die auch öffentlich zugängliche Tamina Therme oder der im Garten des Hotels befindliche Außenpool zu empfehlen. Sonne, Wasser und Berge verschmelzen. Und endlich – die Sonne quittiert ihren Dienst für diesen Tag hinter der grandiosen Bergkulisse – ist es Zeit für kulinarische Genüsse: acht Restaurants mit insgesamt 45 Gault-Millau-Punkten. E
in Muss ist ein Abend in der bereits erwähnten historischen Äbtestube. Den Wein zum exklusiven Mahl wählt man aus einem bibeldicken Buch. In der Zollstube hingegen kommt auf den Tisch, was sicherlich schon bei Heidi und dem Alpöhi aufgetischt wurde. Und wenn vor dem Fenster nicht ständig die Berge in Sichtweite wären, im Namun könnte man sich wie in Singapur oder Bangkok fühlen. Ausschließlich asiatisches Personal serviert feinste Thai- und Chinaküche.
Ein wenig kommen einem beim Nachdenken über das Resort Erinnerungen an Hotelkonzepte aus Las Vegas in den Sinn. Es fehlt an nichts, man muss die Anlage eigentlich nicht verlassen. Nicht einmal für den Genuss einer guten Cigarre. Und das ist nun auch in der Schweiz längst nicht mehr selbstverständlich. Hier im Bad Ragaz Resort sitzt man dazu im Salon Davidoff. An dieser Stelle muss ich zugeben, Superlative nicht sehr zu mögen. Indes – dieser Salon gehört zu den gemütlichsten Rauchoasen, die mir bislang begegnet sind. Die Ausstattung inklusive der mit echten Tabakblättern verkleideten Wände ist extrem kuschelig.
Und dann ist da noch eine Idee der schweizerischen oder genauer gesagt Sankt Gallener Kantonspolitiker, die die Gäste in Bewegung halten.
Weil das Ganze in der Schweiz spielt, könnte man auch von Schildbürgern sprechen.
Also: Sie sitzen in der Lounge und wollen zu Ihrer guten Cigarre einen Drink. Der Kellner kommt nun zu Ihnen (in den rauchigen Raum) und nimmt die Bestellung auf. Dann bringt er auf einem Tablett die Bestellung bis an die Tür und Sie übernehmen dort das Tablett. Denn die »Verordnung über den Schutz vor Passivrauchen« schreibt das so vor. Wenn Sie Ihr Glas geleert haben, kommt der Kellner wiederum in den Raum und räumt ab. Verstanden?! So etwa könnte die Geschichte von den Schildbürgern entstanden sein. Immerhin liegt der fiktive Ort Schilda ja irgendwo in der Schweiz. Mit diesen Gedanken lasse ich gemeinsam mit Chefkoch Roland Schmidt ein paar Tabakblätter in wohligem Rauch aufgehen und zum Glück bleiben wir dabei immer in Bewegung. Der Kellner steht oft an der Tür...
PS: Wenn der Almöhi dieses Resort schon vorgefunden hätte, er wäre ganz sicher nicht mehr hinauf auf seine Alm gestiegen.