Süditalien

Am unteren Ende des Stiefels...

Von Honza Klein

Den Schaft kennen sicherlich viele. Möglicherweise noch bis zum Knöchel ist der italienische Stiefel touristisch und kulinarisch gut erkundet. Doch an der Fußspitze und erst recht am Hacken und Absatz wird es schwierig. Also auf zu einer Reise in den Süden.

 

Dass es mit der Bekanntheit Süditaliens ein paar Probleme und vielleicht auch Missverständnisse gibt, ist nun auch bei der italienischen Handelskammer ins Bewusstsein gedrungen. Erst recht in das der Hoteliers, Gastronomen und Agro-Produzenten. So schlossen Sie sich zur South Italian Agro Food Tourism zusammen. Eine Organisation, die mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen will. Klar – den Tourismus ankurbeln und die einheimischen Produkte besser vermarkten. Dabei haben sie hier in Apulien, Basilikata und Kalabrien beste Voraussetzungen. Da ist schon erst einmal das Wetter. Selbst im gerade vergangenen langen Winter kletterten Ende Januar, als in Deutschland noch Väterchen Frost regierte, die Temperaturen auf bis zu 15 Grad. Es sind aber auch die vielen Möglichkeiten des Agritourismus, die die Region so reizvoll werden lassen. Etliche Höfe laden zum Übernachten. Teilweise mit Pool, meist jedoch einfach, aber ausreichend ausgestattet. Den wahren Reiz dieser Art Urlaub zu machen, erkennt man indes, wenn das Essen auf den Tisch kommt. Beste Produkte, meist einfach, aber eben authentisch zubereitet, dazu Wein aus der Region. Schwierig ist es jedoch inzwischen auch in Italien, nach dem Essen eine Cigarre zu genießen. Man hat jedoch den Vorteil, dass man lange Zeit des Jahres draußen sitzen kann. 

 

Neben den Agritourismus-Herbergen gibt es natürlich auch Hotels. Jedoch weit weniger als im Norden, jedoch weit weniger exklusiv. Drei Ausnahmen seien hier noch erwähnt. Darunter eines der sicherlich ungewöhnlichsten Hotels der Welt. Matera mit seinem Ortsteil Sassi ist ganz sicherlich einer der Anziehungspunkte der Gegend. Noch bis in die 50er, 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts war dieser Stadtteil die Schande Italiens. In den Fels getriebene Höhlen dienten als Behausung, die Bewohner lebten unter ärmlichsten Bedingungen, so wie die Hirten vor hunderten Jahren. Rings um die Stadt zeugen etliche ebenfalls in den Fels getriebene Kapellen von der Besiedlung. Seit einigen Jahren steht Sassi nun als UNESCO-Weltkulturerbe unter besonderem Schutz und wird nach und nach restauriert und wieder besiedelt. Kleine Handwerker, Restaurants, Herbergen. Darunter das Hotel Sextanto Civita Caves. Lediglich 18 Zimmer liegen direkt am Canyon von Sassi. Tief in den Fels gehauen befinden sich die Zimmer oder sollte man besser sagen die Hallen. Denn alle Räume sind von außergewöhnlicher Größe und mit allem ausgestattet, was man von einem Fünfsternehotel erwartet. Nur eben mitten im Sandstein, an dem man hier und da Muschelreste finden kann. War doch die Gegend vor Millionen Jahren einst Meeresgrund. Ab 275 € kann man dieses besondere Wohnvergnügen erleben. Übrigens gleich neben dem Hotel befindet sich eine noch im Originalzustand erhaltene Wohnhöhle, so wie hier einst gelebt wurde. Nun ist ein Hotelpreis ab 275 € sicherlich nicht ganz billig. Doch wie gesagt. Ein ausgefalleneres Hotel ist schwer zu finden. Es gibt jedoch mitten in Sassi auch noch eine etwas preiswertere Variante für das Höhlengefühl. Die Locanda di San Martino bietet zwar etwas kleinere Zimmer, dafür aber schöne Terrassen mit Blick über die Stadt und sogar einen in den Fels gehauenen Pool.

Für Cineasten ist Sassi sicherlich besonders interessant, drehte doch hier Mel Gibson seine Passion Christi und die Stadt musste als Jerusalem herhalten. Überhaupt findet sich überall viel Geschichte. Die vielen Höhlenkirchen sind bereits erwähnt, Pythagoras verbrachte in Metapond am Golf von Tarent die letzten 20 Jahre seines Lebens, gigantische Festungen zeugen von der umkämpften Geschichte. Zu Ende geht die Reise durch den südlichen Zipfel der Apenninenhalbinsel mit Blick auf den Ätna. Etwas außerhalb der Metropole Reggio di Calabria liegt auf einem Hügel über der Straße von Messina das Montesano Hotel. Eine ausgedehnte Hotelanlage mit Spa, Restaurant, Hotelzimmern und kleinen Villen. Von hier aus hat man Sizilien vor dem Fenster, bis in die pulsierende Altstadt Reggios sind es gut 15 Minuten und bei klarem Himmel hat man dort einen atemberaubenden Blick auf den Vulkan mit seiner Rauchwolke wie bei einer guten Cigarre. Bleibt zu hoffen, dass der Region ein Schicksal wie dieser Tage in Island erspart bleibt. Doch vielleicht macht gerade diese schaurige Ungewissheit auch einen Teil des Reizes aus.