Von Honza Klein
Dieser Novembertag vor einigen Jahren war ein merkwürdiger Tag für Wolfgang Teske. Es gab ein wenig Morgennebel, ein wenig Melancholie in der Stimmung. Nach 42 Jahren ging Teske morgens nicht den Weg ins Bundespräsidialamt.
„Ich hatte aber keine Angst vor dem Tag“, erzählt der Mann, der unter neun Präsidenten die Pressearbeit des ersten Mannes im Staate organisiert hat.
Angefangen hat es 1969. „Damals lebte ich in Bonn hatte gerade eine Ausbildung als Sanitär Großhandelskaufmann abgeschlossen und war nicht so recht zufrieden mit meiner Arbeit.“ Durch Zufall lernte er einen Regierungsmitarbeiter kennen, der ihm den Tipp gab, sich doch einfach mal zu bewerben. „Zu meiner Verwunderung wurde ich sofort genommen.“
Heinrich Lübke war damals Bundespräsident. „Ihn habe ich jedoch nur ganz kurz erlebt, weil er wenige Zeit nach meinem Einstieg zurücktrat. Die Wahl des neuen Bundespräsidenten wäre in die Zeit der Bundestagswahl 1969 gefallen und das sollte vermieden werden“, erinnert er sich. Acht Bundespräsidenten folgten, womit Teske außer dem ersten, Theodor Heuß, allen bisherigen gewählten Staatsoberhäuptern gedient hat. Er war immer dabei wenn Geschichte geschrieben wurde, Staatsgäste nach Deutschland kamen, im Amt gefeiert wurde. Er war der Zeremonienmeister der Macht. Noch heute wundert er sich, dass er damals gleich genommen wurde. „Jetzt hätte ich wohl keine Chance“, meint er und verweist auf die Anzahl der Bewerber als jüngst seine Stelle ausgeschrieben wurde: 850.
Da kommt einem in den Sinn dass es wohl egal war wer unter ihm Präsident war. „Na ja etwas übertrieben aber irgendwie trifft es das schon“, lacht er. Dabei wollte er gar nicht so lange bleiben. „Es gab immer wieder mal Angebote. Aber dann kam die nächste Veranstaltung, die ich unbedingt noch miterleben wollte und so bin ich heute der dienstälteste Mitarbeiter beim Bundespräsidialamt.“ Lust in die erste Reihe aufzusteigen oder sich gar in Parteipolitik einzumischen verspürte er nie. „Ich habe immer loyal meinem jeweiligen Dienstherren gedient. Egal welche Farbe sein Parteibuch hatte. Das hätte dann ja auch dazu geführt, dass ich wenn ich etwa Sprecher eines Bundespräsidenten geworden wäre mit ihm hätte gehen müssen.“
Auf seinem Schreibtisch hat er hunderte Fotos ausgebreitet, andere sind in Ordnern, als ich ihn in seinem Dienstzimmer besuche. „Karl Carstens zum Beispiel. Mit ihm bin ich durch Deutschland gewandert und ich erinnere mich noch heute an die vielen Blasen an meinen Füßen.“ Oder der Besuch von Papst Johannes Paul II. „Selbst er musste sich von mir den Weg weisen lassen“, schmunzelt Teske. „Wann erlebt man so etwas schon.“ Als er Johannes Rau einmal bei einem Pressetermin mehrfach zum Wechseln der Position aufforderte raunte der deutlich hörbar für alle: „Herr Teske ist das eigentlich ihr Hobby.“ Am nächsten Tag erschienen perfekte Fotos mit dem Bundespräsidenten genau an der richtigen Stelle. „Rau hat sich dafür dann bei mir bedankt.“
Teske nahm seinen Job als Dienstleister ernst. „Meine Aufgabe habe ich genau in diesem Sinne verstanden. Ich war dafür da, den Bundespräsidenten optimal nach außen darzustellen.“ Das ist ihm auch immer gelungen. Pannen gab es eigentlich nie. Nur das eine Mal. Die Geschichte ist legendär: „Lecker Mittag Essen mit der Beatrix!“ Den Film mit Hape Kerkeling kennt wohl jeder. „Sofort als er damals aus dem Auto vor dem Haupteingang von Schloss Bellevue ausstieg habe ich ihn erkannt und es gerade noch so geschafft ihn wieder vom Hof zu bekommen bevor die echte Königin der Niederlande mit ihrem Konvoi vorfuhr“, erzählt er. „Schon am nächsten Tag haben wir uns selbst kaputt gelacht. Aber das hätte nicht passieren dürfen.“ In diesem Sommer beim traditionellen Sommerfest im Garten des Schlosses war Kerkeling der Moderator und traf dabei auch mit Richard von Weizsäcker zusammen. „Das sie sich noch hierher trauen“, frotzelte dieser. Amtsinhaber Christian Wulff erteilte dem Comedian später jedoch Absolution: „Sie sind jetzt immer gern eingeladen.“
Wenn Teske über Weizsäcker redet wird ein wenig ernster. Fast so also würde ein Sohn über seinen Vater reden. „Mit ihm waren es tolle Jahre. Vielleicht auch weil es die Zeit der deutschen Wiedervereinigung fiel und wir nun vermehrt in Berlin waren.“ In die Stadt hat sich der Rheinländer schnell verliebt. „Dabei half auch meine jetzige Frau.“ Sie war als Beamtin von Berlin nach Bonn versetzt worden, um den Umzug des Präsidialamtes vorzubereiten. „So haben wir uns kennen gelernt und sind nun immer noch glücklich verheiratet.“ Wenige Zimmer neben dem seinen ist ihr Büro. „Natürlich war es eine Umstellung vom gemütlich Bonn in die Großstadt.“ Dazu käme dass es früher viel weniger Presse gab. „Als ich anfing gab es lediglich ARD und ZDF und ein paar Fotografen. Heute sind es ungleich mehr TV-, Radio und Zeitungsjournalisten.“ Berlin ist jedoch inzwischen Heimat für ihn. „Nur ein Mal im Jahr werde ich kribbelig und es zieht mich ins Rheinland“, gesteht er und nennt das Zauberwort: „Karneval.“
Teske kramt weiter in Fotos und die Erinnerungen fließen. Kaiser Hirohito, Helmut Newton, Steven Spielberg, Udo Jürgens, Christo, Iris Berben, die Rockgruppe Silly, die jüngst zur Freude von First-Lady Bettina Wulff beim Sommerfest aufspielte, die Fußballnationalmannschaft, Nelson Mandela... „Richard von Weizsäcker bekam von Radweltmeister Rudi Altig ein Fahrrad geschenkt. Das musste er natürlich sofort testen und landete im Bücherregal seines Büros.“ Ein anderes Mal fiel beim Besuch des spanischen Königs das Licht aus und nur die Kameraleuchte eines Fernsehteams erhellte noch die Räume. „Als das Malheur behoben war raunten alle traurig. Mit dem wenigen Licht war es viel gemütlicher.“
Für den Perfektionisten Teske trotzdem ein Albtraum. „Aber genau das machte auch meine Arbeit aus. Schnell reagieren auch wenn etwas nicht ganz so nach Plan lief.“ Wenn etwa Walter Scheel mal seinen Polizeibegleitwagen besichtigen wollte (damals ein Porsche als Polizeifahrzeug) und einfach damit davon fuhr. „Erst Stunden später haben wir ihn wieder gefunden. Auf einem Golfplatz bei Köln.“ Kurios auch der Besuch eines islamischen Staatsoberhauptes. „Einer seiner Begleiter war plötzlich verschwunden und wir entdeckten ihn betend auf dem Boden des Amtszimmers des Bundespräsidenten.“
Teske hat noch viele solcher Geschichten aus vier Jahrzehnten deutscher Politik. „Vielleicht schreibe ich ein Buch darüber“, sagt er. „Zeit habe ich ja demnächst genug. Die will er jedoch erst einmal für sich nutzen. „Ich werde viel ins Fitnessstudio gehen, am Tegeler See spazieren, verreisen und vielleicht suche ich mir auch noch mal eine neue Arbeit.“ Bis dahin hat er jedoch noch einiges zu tun. Der Türkische Präsident war gerade zu Besuch, Papst Benedikt kam Ende September. Teskes fünfter Papstbesuch. Auch er musste sich wieder danach richten was der Verwaltungsangestellte Teske für ihn vorgesehen hat.
Ein wenig unruhig war der inzwischen graumelierte in diesen letzten Tagen aber doch. Das lagt daran, dass er nicht so genau wusste, was da links und rechts neben ihm in den Büros vorbereitet wurde. „Ich weiß dass meine Kollegen etwas für meine Verabschiedung planten. Aber eben noch nichts Genaues.“ Nur so viel. Der 31. Oktober stand im Kalender von vier Bundespräsidenten: Weizsäcker, Herzog, Köhler und Wulff. Die einzige Veranstaltung in 42 Jahren die er nicht selbst vorbereitet hatte...