Von Honza Klein
In der O2-Arena lässt Michelle die Liebe leben. Fast 15.000 Schlagerfans schmachten mit ihr. Ich stehe derweil draußen und warte auf den König. Nicht einen wirklichen Blaublüter. Aber immerhin kommt er mit großer Limousine vorgefahren. Jürgen Drews ist der König von Mallorca und vielleicht einer der volkstümlichsten mit – wenn auch nur ehrenhalber – Königswürde. Geduldig schreibt er gleich nach dem Aussteigen Autogramme, lässt sich mit Fans fotografieren.
Vielleicht wäre es mal eine Idee eine Fotoausstellung aller Fotos Jürgen-Mit-Fans zu machen. Davon gibt es sicherlich Tausende. Immerhin ist dieser Auftritt schon der 280. in diesem sich neigenden Jahr für den Barden. Das schätzt er jedenfalls als wir uns in seiner schmucklosen Garderobe wieder finden. „So genau weiß ich das gar nicht. Vielleicht würde ich zählen wenn es Arbeit für mich wäre. Aber ich lebe ja meine Leidenschaft.“ Die Garderobe in der O2-Arena ist mehr als Schmucklos und könnte glatt als Verhörraum genutzt werden. Lediglich zwei Flaschen Wasser stehen bereit. Nicht mal einen Garderobenständer gibt es. Ich denke daran was ich von Konzertveranstalter schon für Wünsche von Stars und Sternchen gehört habe, ihre Garderobe betreffend. Da wurde sogar schon mit Auftrittsabsage gedroht, wenn nicht alle Ledersofas weiß und das Wasser von den Fiji-Inseln kommt. Drews ist derlei unbekannt. Er will nur eines: Auf die Bühne.
Dort stand der in Nauen geborene schon mit 14 Jahren das erste Mal. Das ist nun mehr als ein halbes Jahrhundert her. „Jürgen Drews handhabte das Banjo“, stand in der ersten Zeitungskritik über ihn. Jazz und Swing war damals seine Musik. Wie sein Vater hat er dann aber erst einmal Medizin studiert. Doch Drews ist wohl im besten Sinne das was man eine Rampensau nennt. Er liebt die Bühne und die Bühne liebt ihn. Das freut an diesem Abend nicht alle. 30 Minuten sind laut Programm für Drews vorgesehen. Er macht fast eine Stunde daraus. Er will nicht gehen, das Publikum will ihn nicht gehen lassen. Helene Fischer, die nach ihm dran ist, wartet. Natürlich trällert er das Bett im Kornfeld baut ein Schloss und erinnert an alte Les Humphries Zeiten. Drews war in der Gruppe der Part für das weibliche Publikum. „Guck Dir das an“, sagt er als wir nach seinem Auftritt noch neben der Bühne stehen und die 15.000 toben sehen. „Ich alter Sack habe immer noch junge Mädels im Publikum, die mich anhimmeln. Immerhin wird er im April 69. Dass er trotzdem so viele Auftritte im Jahr bewältigt liegt vor allem an seiner Disziplin.
Er raucht nicht, trinkt nicht und ist so oft wie möglich zu Hause bei Ehefrau Ramona. Im Winter in der Nähe von Münster, im Sommer Mallorca. Ein Zugeständnis ans Alter gibt es aber doch. „Den Titel ‚Ich brauche sechs mal Sex am Tag’ singe ich nicht mehr“, lacht er. Dass er allerdings immer wieder die alten Titel, die jeder kennt, singen muss stört ihn gar nicht. „Ist doch toll wenn die Leute es mögen.“ Trotzdem schreibt er regelmäßig neue Lieder. Mit mehr oder weniger Hitpotential. „Ich bin kreativ aber erfolglos“, meint er selbstironisch. Drews ist niemand der sich selbst besonders ernst nimmt. Er lebt seine Leidenschaft, seine Musik. Das indes nimmt er mehr als ernst. Das merkt man wenn er über die Bühne wirbelt. „Musik werde ich ewig machen“, sagt er zum Abschied. „Das ist meine Therapie.“
Längst steht Helene Fischer auf der Bühne. Singt ihre Schlager. „Schlager ist nie tot. Damit können die Leute abschalten und Spaß haben. Mit ganz unbedarften Texten“, ist sich Drews sicher. Schlager lebt und Drews ist vielleicht einer seiner größten Lebensretter.