Günter Münstermann - Der Herr der Kugeln

Von Honza Klein

Seinen Schreibtisch könnte man auch als eine Art Portrait seiner Seele sehen. Günter Münstermann sitzt an einem schnörkellosen, zwei mal 1,50 Meter großen Schreibtisch. Wenn er sich umdreht sieht er direkt auf den Haupteingang des Hotels Hyatt auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Von diesem Schreibtisch aus lenkt er die mehr als 400 Mitarbeiter der Spielbank Berlin mit ihrem fünf Standorten in der Hauptstadt. Mehr als 60 Millionen Euro setzt das Glücksspielunternehmen im Jahr um. Tendenz steigend. Doch wer denkt dass Münstermann selbst ein Spieler ist irrt. Wie gesagt, dass verrät bereits sein Schreibtisch. Strukturiert, ordentlich, alles im Überblick behalten. So wie der 60järhige selbst. Ein Utensil ist dabei übrigens ganz besonders wichtig. Das wandert auch mit wenn er mal an den Konferenztisch zu Besprechungen umzieht. Dabei handelt es sich um sein „größtes Laster“ aber auch seinen „täglichen Genuss“. Es ist ein Aschenbecher. Egal wo Münstermann ist, wenn man nicht Rauchen kann wird es für ihn schwierig.

Doch dass er einst an einem solchen Tisch sitzen würde war nicht geplant. Eigentlich sollte das mit dem Roulette nur ein kurzes Intermezzo im Leben von Günter Münstermann werden. Doch inzwischen ist er der Kugel seit fast 40 Jahren treu. „Die Branche hat etwas geheimnisvolles, exotisches“, erzählt er. „Wenn ich jemandem sage was ich mache, kommen immer interessierte Nachfragen. Zum Beispiel ob es ein System beim Roulette gäbe“, fügt er lachend hinzu. Doch wie gesagt – eigentlich sollte es ganz anders laufen.

 

Die Mutter hatte eine Bäckerei und er machte erst einmal Abitur. Mit 19 stieg er bei einem befreundeten Hefehändler ein und nachdem der sich in den Ruhestand begeben hatte war Münstermann mit einem mal Geschäftsführer und Inhaber. Wenig später las er bei Freunden während eines Canasta-Abends die Anzeige der neuen Spielbank Aachen: „Croupiers gesucht.“ 530 Bewerber kamen um einen der 15 neuen Plätze als Croupieranfänger zu bekommen. Nach drei Monaten Ausbildung war er einer der 15. „Irgendwie hatte ich wohl das richtige Gefühl für den Job“, erinnert er sich. Nun ist er seit 1999 Geschäftsführer der größten und umsatzstärksten deutschen Spielbank. Es ist also alles andere als eine Zwischenlösung wie er es noch in Aachen geplant hatte. Doch noch mal zurück. Gleich von Beginn an fiel bei Münstermann sozusagen fast immer die Zero. Schon nach wenigen Jahren als Croupier wurde er in die Westspiel-Zentrale in Münster gerufen um dann kurz danach schon Chef in Aachen zu werden. Wenig später ging es wieder nach Münster, dieses Mal als Bereichsleiter. „Aber ich bin Rheinländer. Die Westfalen sind nicht so mein Ding.“ Und dann fügt er lachend hinzu: „Der Westfahle ist ja bekanntlich der natürliche Feind des Rheinländers.“

 

Doch das Leben bietet eben immer wieder Zufälle. Fast so wie im Spiel. In London auf der Casino-Messe wurde er angesprochen, ob er sich nicht vorstellen könnte als Chef zur Spielbank Berlin zu kommen. Diese war gerade vom Europacenter zum Potsdamer Platz gezogen und die Kugel lief nicht ganz so rund. „Ich bereue diese Entscheidung keine Minute. Das ist hier ein tolles Team, Berlin ist die einzige Stadt in Deutschland in der ich leben möchte und die Arbeit in einer Spielbank bietet immer wieder Abwechslung“, so Münstermann. Zu seinem Bekenntnis zu Berlin zählt auch dass er in der Stadt bleiben will wenn er die Spielbank mal verlässt. Das Wort Pensionierung zu schreiben fällt hier schwer wenn man Münstermann kennt. „Wichtig ist mit dabei auch die gesellschaftliche Verantwortung.“ Dazu zählt er die Eindämmung des illegalen Glücksspiels und die Spielsuchtprävention. So war er der erste der zusammen mit der Humboldt-Uni ein Programm entwickelte um Spielsüchtigen zu helfen und besser noch Sucht zu verhindern. „Das wurde dann die Vorlage für alle Spielbanken in Deutschland.“ Daneben ist dem Sportbegeisterten die Förderung des Sports wichtig. Robert Harting und die Füchse Berlin sind da nur zwei Beispiele. „Insgesamt geben wir im Jahr mehr als eine Viertelmillion Euro für Sportförderung aus“, sagt er nicht ohne Stolz. Als die Anfrage zum ISTAF kam haben wir das mit unserem Gesellschafter der Novomatic AG innerhalb von Minuten entschieden. Das ist sicherlich auch ein Verdienst des 2014 verstorbenen Beiratsvorsitzenden der Spielbank. Schließlich war Manfred von Richthofen einst Chef des Landessportbundes und des Deutschen Sportbundes. 

Dazu kommen etliche Euro für Kunst und Kultur und manch andere Veranstaltung. Das muss aber alles nicht an die große Glocke gehangen werden“, meint er bescheiden und ganz ohne Koketterie.

Wer mit Münstermann redet merkt dass es stimmt wenn er sagt, dass er an seinem Job den Kontakt mit Menschen besonders mag. Dabei scheint er immer in sich selbst zu ruhen. Trotz oder vielleicht gerade wegen der kleinen weißen Stängel die er immer dabei hat. „Das ist für mich ein Teil des Genusses“, lacht er. Seine Ruhe hat er sich früher als er noch in Aachen lebte übrigens ein Mal im Jahr in einem Trapistenkloster geholt. „Dort galt ein Schweigegelübde “, erinnert er sich. „Als ich dann doch mal einem Mönch beim Abschied erzählte dass ich Croupier bin, meinte er: Dann bringen sie doch beim nächsten Mal ihre Utensilien mit. Dann spielen wir hier.“ Doch das war sicher nur ein Scherz. „Heutzutage bedauere ich manchmal dass ich das mit dem Kloster nicht mehr mache. Es ist immer wichtig hin und wieder Einkehr zu halten und sich auf die existenziellen Bedürfnisse zu besinnen“, sagt er. Seine Eltern hatten Münstermann dereinst auf ein Internat geschickt. Berufsziel: Pfarrer. Nun ja wie schon gesagt. Es kam anders. 

 

Übrigens: manchmal spielt er auch selbst. „Wenn ich im Urlaub bin und irgendwo eine Spielbank entdecke gebe ich mir schon mal die Kugel.“ Mit 20 Mark Einsatz 1600 Mark Gewinn war sein persönlicher Rekord. Als er das erzählt fällt ihm die Geschichte des Schotten ein, der in Aachen an seinem Tisch spielte und 1,7 Millionen D-Mark mitnahm. Was der Schotte mit dem Gewinn gemacht hat ist nicht überliefert. Münstermann lud mit seinem Gewinn Freunde zum Essen ein. Gutes Essen mag er. Und inzwischen auch Wodka. Schließlich ist Münstermann mit einer Russin verheiratet. Mit ihr ist er die vergangen Jahre gern auf Kreuzfahrt gegangen. Damit dürfte nun aber wohl erst mal Schluss sein. Jedenfalls für eine Weile. Im Herbst 2012 ist Münstermann noch einmal Vater geworden. „Ich habe zwar schon einen 34jährigen Sohn aber das jetzt hat mit vor Freude fast ohnmächtig werden lassen“, lacht er. 

Vielleicht kennt der eine oder andere den Film Casino mit Robert de Niro als mafiösen Casinochef oder andere Hollywoodstreifen zum Thema mit immer total abgezockten und wenig sympathischen Spielertypen. Das eine ist Film das andere ist Günter Münstermann, der die Kugel vermutlich noch lange kreisen lässt.