Rezepte für die Ewigkeit

Von Heinz Horrmann

 

Internationale Langeweile in Hotelrestaurants ist weitgehend „out“. Die Gäste mit Gaumenfreuden zu pflegen, immer häufiger „in“. Dabei müssen es nicht immer neue kreative Höhenflüge des Küchenchefs sein, zum Glück ist Tradition in den Hotels für Connaisseure Trumpf.

 

Ein Genuss für alle Sinne. Das Messer teilt den Blätterteig, gleitet durch den angerösteten grünen (ungeräucherten) Speck und die Pilzmasse, erreicht  das köstliche Filet vom Charolais-Rind. Eine drei Finger starke Scheibe fällt auf den Teller, saftig rot, Medium rare gebraten. Ein wahrlich  köstliches Gericht , das einst vom Schweizer Küchenchef Charles Senn zum Gedenken an den Feldherrn Sir Arthur Wellesley, Herzog von Wellington kreiert wurde.. Es ist heute so aktuell wie vor fast 200 Jahren. „Filet Wellington“, ein Genuss-Denkmal für alle Zeiten, das gerade mal eine winzige Änderung erfuhr. Damals wurde es mit Pferdefleisch angerichtet…

 

Kulinarische Würdigung für kulturhistorische Legenden, für die Großen ihrer Zeit erdacht, sind längst allgemeine Köstlichkeiten für alle Genießer. Es gibt  eine ganze Reihe dieser besonderen Gerichte in allen Preislagen Ich denke da an die Bismarck- Heringe, an die Rossini-Köstlichkeit, an den Hawaiianischen Erdofenbraten „Kamehameha“ (letztes Königsgeschlecht des Südseeinselreiches). In jüngerer Zeit erfand Paul Bocuse die Trüffelsuppe Giscard D’Estaing, die der damalige französische Präsident ganz besonderen Staatsgästen servieren ließ. Bocuse hat mir geduldig beigebracht, wie dieses Meisterwerk funktioniert. Es lässt sich gewiss auch mit weniger teueren Grundprodukten variieren.  Im Original ist es eine durch Reduktion konzentrierte Consomé, mit 50 Gramm in Scheiben geschnittene Perigord-Trüffel, einer hauchfeinen Scheibe Gänseleberterrine. Die köstlichen Zutaten werden in kleine bauchige Suppengefäße gefüllt, dann wird Blätterteig ausgerollt und als Deckel aufgesetzt und mit Hilfe von Eigelb festgedrückt. Im Ofen hebt sich der Blätterteig zu einer goldgelben Haube, die schließlich mit dem Löffel aufgebrochen wird. Allein der Duft, der ausströmt, ist  Genuss pur.

 

Ebenso lustvoll in aller Munde: das Dessert Birne Helene (französisch: Poire belle Hélène), das  1870 von Auguste Escoffier zur Premiere von Jacques Offenbachs Operette „Die schöne Helena“ kreiert wurde. Eine frische geschälte Birne wird in Läuterzucker pochiert, nach dem Auskühlen auf Vanilleeis angerichtet und mit kandierten Veilchen bestreut, dazu wird heiße Schokoladensauce gereicht. Eine zweite Nachspeise der besonderen Art ist das Fürst Pückler-Eis. das  der Königlich Preußische Hofkoch Jungius 1839 dem Schriftsteller Hermann von Pückler-Muskau widmete. .Ein dreischichtiges Eis ( Schokolade und Früchte )wird mit so viel Sahne zubereitet, dass die Masse nur halb gefriert.  

 

Höhepunkt der köstlichen wie kulturhistorischen Sammlung sind für mich die  Tournedos á la Rossini. In den Aufzeichnungen heißt es, drei Mal habe der Meister Giacchino Rossini geweint: vor Enttäuschung, als sein „Barbier von Sevilla“ mit Pauken und Trompeten durchfiel,  das zweite Mal vor Glück als er eine Mozart-Arie singen hörte und dann als er sein kulinarisches Kunstwerk probierte. Rossini, der die beneidenswerte Gabe hatte, sich Kummer von der Seele zu essen, nahm gut abgehangene Rinderfilets, richte sie auf einem Sockel Weißbrotcroûtons an, die mit etwas Fleischreduktion überzogen sind. Mit einer kurz gebratenen Gänseleberscheibe und gehobelten Perigordtrüffel garnierte er die Köstlichkeit, bevor er die Bratensauce mit Madeira und Trüffelessenz abschmeckte. Ein göttliches Rezept für die Ewigkeit. Im Berliner Ritz-Carlton bekam ich in der Brasserie Desbrosses eine interessante Variante der Rossini- Köstlichkeit: Als Basis diente hier  ein kräftiges Kalbskottelet. Ich war begeistert. Das zeigt, auch die großen Ideen dürfen getrost zeitgemäß oder nach Weisung des Küchenchefs im Rahmen des Wareneinsatzes variiert werden. Und das macht sie noch attraktiver …..,….