Von Heinz Horrmann
Ich erlebte die Parade der Stelzen-Bungalows in den Weltmeeren.
In einem kleinen Antiquitätenladen am Berliner Winterfeldmarkt fand ich zufällig ein Bändchen mit einer Sammlung von Storys und Kuriositäten der Südsee aus den 60 er Jahren. Titel „Le paradis en folie ( as verrückte Paradies). Verzückt wurde darin eine „für immer rund um den Erdball einmalige“ Hotel- Idee gefeiert, die Stelzen- Bungalows in der Lagune von Bora Bora. Das beschriebene Hotel auf der besonderen Inselschönheit in Polynesien ist seit längerem geschlossen, wird komplett umgebaut, wie ich auf meiner letzten Reise erlebte.
Das Konzept aber, Gästehäuser auf Pfählen ins Wasser zu setzen und so das Gefühl zu vermitteln, auf der Lagune zu schweben, blieb alles andere als einmalig, sondern verbreitete sich in Windeseile wie ein Buschfeuer in den wärmeren Gewässern der Weltmeere.
Eine brillante, manchmal auch verrückte Idee bleibt halt nie lange exklusiv. Allein im Inselreich Tahitis habe ich zwei Dutzend Hotels mit Overwater Bungalows gezählt, noch mehr sind es inzwischen auf den Malediven, auf den Seychellen, auch auf Mauritius, Lombok oder vor Thailands Südküste. Ein Hoteldesigner plant sogar Stelzen- Bungalows an den Saum des Tegernsees zu setzen. Eine glücklich machende Philosophie findet überall einen Ankerplatz.
Ganze Labyrinthe aus Überwasserdörfer auf Stelzen sind gewachsen, alle mit der gemeinsamen Verheißung von Glückseligkeit. Im Indischen Ozean wurde die Auswahl besonders vielschichtig, zum Glück nicht nur im Hochpreisbereich. In Französisch Polynesien ist nämlich der Kostenfaktor der sehr irdische Pferdefuß eines sonst paradiesischen Konzeptes.
Die aktuellste Errungenschaft dieses vielleicht schönsten Bereiches der internationalen Hotellerie ist das St. Regis Resort auf Bora Bora. Am Tag als die Insel mit dem klangvollen Namen den „World’s Best Island Award“ bekam (schönste Insel der Welt), wurde das Hotel mit dem Bungalows auf Stelzen eröffnet.
Wenn man da nachliest, wie simpel vor einem halben Jahrhundert alles begann: Drei Australier hatten gewettet, wer am schnellsten eine südseetypische Behausung zustande brächte. Einer der Kontrahenten zimmerte ein Gestell aus Holzstelzen, verankerte es im Wasser der Lagune und montierte eine Hütte obenauf. Ein Haus mit einem verglasten Loch im Fußboden, um die Unterwasserwelt von der Couch aus zu erleben. Bingo, das war ein Griff direkt ans Herz der Romantiker. Der Amateur- Architekt gewann die Flasche perlender Lebensfreude für die Wette und zog selber in das Haus über dem Wasser. Tag für Tag genoss er die total friedliche Lagunenstimmung.
So muss unsere Welt am ersten Tag der Schöpfungsgeschichte gewesen sein , eine Ewigkeit bevor wir den Planeten befingert und entstellt haben, lange noch vor dem ersten Sündenfall, schrieb es ins Tagebuch. So und nicht anders zeigte sich die Natur, unbeschreiblich majestätisch, von göttlicher Perfektion. So wie sich von der Terrasse aus die Inselschöne mit dem weißen Gürtel aus Korallen und dem sanften Wimpernschlag des Ozeans präsentiert.
Wer auf der Holzterrasse eines solchen Overwater-Bungalows sitzt, in stiller Andacht auf das spiegelglatte Wasser schaut die Natur bewusst genießt, zelebriert die wohl schönste Seite des Hotellebens.. Savoir-vivre der feinsten Art, dank einer verrückten Wette der „crasy boys“ Das Farbenspiel des Wassers wird direkt im Himmel inszeniert. Die Töne wechseln von durchscheinendem Opal und Perlmutt bis Silber mit einem winzigen Schuss Türkis. Mantas, Meerestiere mit mächtigen Schwingen, ziehen vorbei. Ganz weit draußen, wo der Horizont die Lagune küsst, schwebt ein Dunstschleier über der Naturbühne wie ein sanfter Wimpernschlag.
Ich durfte das Glück der Südsee etliche Male erleben, bei der letzten Reise mit meinem Antiquitätchen vom Winterfeldmarkt auf den Knien "Mauruuru roa" formuliere ich und genieße das polynesische „Danke“ mit der Zunge, wie einen 61er Margaux. Noch einmal: "Mauruuru roa" für geliehene Augenblicke des Glücks.
Danke für diese Wette, die zur schönsten Hotel-Idee geführt hat.