Austern genießen - Wie ein Mund voll Meer

Von Heinz Horrmann

 

Verzückung in Viererreihe vor der Austern-Bar im Berliner Kaufhaus des Westens. Während der ITB in der Hauptstadt sind bei 300.000 Gästen in der Metropole alle Restaurants stets ausgebucht. Doch nichts wird in diesen Tagen mehr begehrt und verzehrt als Austern, mit dem kleinen, köstlichen Biss ins Meer.

 

Gewiss ist jetzt in diesen kalten Wochen die allerbeste Zeit die Schalentiere zu genießen, , obwohl  die alte Regel mit den Monaten mit „R“ (September bis April ) als klar begrenzte Austern- Saison längst nicht mehr gilt. Dafür sind heutzutage die Kühlketten von den Austernbänken zum Genießer zu perfekt. Ich mag die (Winter-)Auster ohne milchiges Eiweiß-Depot (typisch im Sommer) allerdings am liebsten. Also bitte ein Dutzend davon, mit Zitrone und etwas Schwarzbrot.……

 

Treffender kann man es kaum ausdrücken. “Die  Austern“, formulierte ein unbekannter Connaisseur „sind eine Hommage an alle menschlichen Sinne“. Und der Gourmet-Papst seiner Zeit, Brillat-Savarin bezeichnete das zarte Fleisch schlicht als „Geniestreich der Natur,“ den Geschmack als „Mund voll Meer..“


Ich genieße lustvoll die Hochsaison dieses Geschenks der Natur, der natürlichen  Art der Gourmandise. Auch wenn die Auster sich rein geschmacklich nicht jedem öffnet und dazu allgemein recht teuer geworden ist, werden die Köstlichkeiten im Perlmutt-Bett geliebt wie nie zuvor.

 

Rund sechs Millionen Edelaustern (Osterica edulis) schlürfen die Deutschen jährlich. Die New Yorker Austernbar im Grand Central Station ist mein weltweit liebster Ort, Austern zu essen. Pur, wie die Natur sie schuf, nur mit einem Spritzer Zitrone. In Deutschland  avancierte neben dem KadeWe und den Restaurants am Hamburger Fischmarkt die „Austernbank“,  in einem ehemaligen Berliner Bank-Tresorraum eingerichtet, zum Favoriten. Hüben wie drüben stehen jeweils ein mehr als ein halbes Dutzend verschiedener Sorten zu Auswahl. So die holländischen Imperial, die französischen Belons und Fine de Claire oder die Royal.

 

Verstärkt kommt die so genannte "Friesenauster" oder "Sylter Auster" auf den Markt. Sie stammt aus einer Kreuzung japanischer und europäischen Tieren. In den USA sind die Amerikanischen Austern die Nr. 1 und in der Austernbank verkaufen sich die nussigen und besonders fleischigen Kumamoto aus japanischen Austernbänken besonders gut. Novizen, die sich erstmals einer Austern nähern und Skrupel haben, denen empfehle ich etwas Pfeffer und Zitronensaft. Nach drei Dutzend zum Eingewöhnen  darf man sie ruhig auch mit Schalotten-Vinaigrette oder mal überbacken genießen. Meine Lieblingsauster ist die Perle Noire, die ich zwei mal pro Woche im KaDeWe bekomme. Wenn ich im Lande bin.

Seit 1878 wird die deutsche Austern-Saison stets in Berlin eröffnet. Gourmet-Freuden dieser Art haben in der Metropole Tradition. Nach dem Berliner Kongress im Jahre 1878 wurden Einladungen mit dem Tafelbild eines „heiligen Austernschlürfers“ von Honoré Daumier an einen erlesenen Kundenkreis verschickt, um auf die kulinarischen Besonderheiten hinzuweisen, die seit der Antike als Aphrodisiakum gelten Alles an dem gezeichneten Austernfreund ist übrigens pure Hingabe: Leicht vornübergebeugt, sinnlich wie zum Kuss geschürztem Mund ,einen Blick voller Sehnsucht und die Gewissheit, dass es bis zur Erfüllung nur einen Moment dauern wird.

 

Wenn Sie, verehrter Leser zu denen gehören, die mit dem kleinen köstlichen wie gesunden  Biss ins Meer wenig im  Sinn haben, können Sie damit vielleicht dennoch zum Glückspilz werden. Dann nämlich, wenn Sie eine Perle unter der Schale finden. Sollte Ihnen das allerdings in einem Restaurant passieren, ist keineswegs geklärt, wem der Schatz gehört, dem Besitzer des Lokals oder dem Gast. Die Gerichte entscheiden mal so, mal so.