Rolls Royce Dawn

Nobler geht's oben ohne nicht

Von Wolfgang Wieland

Traditionell ziemlich vornehm und zurückhaltend fährt es sich in einem Rolls-Royce. Etwas weniger zurückhaltend ist allerdings die Preisgestaltung bei den britischen Luxusmodellen aus dem kleinen Städtchen Goodwood, ca. 100 Kilometer südwestlich von London gelegen. So kostet beispielsweise die viertürige Limousine mit dem geheimnisvollen Namen Ghost (Geist) mindestens 280.000 Euro, das schnittige, zweitürige Coupé namens Wraith (Gespenst) ab 294.000 Euro. In den umfangreichen Preislisten, die äußerst elegant als kleine Büchlein mir Hardcover gebunden sind, findet man aber immer noch begehrenswerte Köstlichkeiten, die den einen oder anderen Zehntausender verschlingen.

 

Happige 39.000 Euro Aufpreis kosten hier jeweils die düsteren Sondermodelle Black Badge, die mit verschiedenen Farbtönen in schwarz, schwarz und ähhh schwarz die dunkle Seite der Rolls-Royce-Gemeinde erfolgreich anspricht.

 

Das zweitürige Cabriolet namens Dawn (Dämmerung) ist zur Zeit weltweit die preisliche Krönung bei den viersitzigen Cabriolets und mit rund 330.000 Euro wohl die exklusivste Möglichkeit sich oben ohne fortzubewegen. Neben der eleganten Formgebung kann man bereits nach dem Studium der technischen Daten erahnen, dass aber auch eine gewisse Sportlichkeit serienmäßig verbaut wurde. 570 PS, 780 Newtonmeter und ein sportwagenmäßiges Sprintvermögen von 4,9 Sekunden von null auf 100 Sachen sprechen für diverse Goldmedaillen, zumal der 2,6 Tonner ja eher in der Schwergewichtsklasse kämpft.

 

Wer zum ersten Mal in einem Rolls-Royce Dawn am Steuer sitzt, wundert sich vielleicht, wo denn der für sportliche Fahrzeuge nicht ganz unwichtige Drehzahlmesser für die Anzeige der Umdrehungen des V-Zwölfzylinders mit den atemberaubenden 6,6 Litern Hubraum positioniert ist. Wir machen es kurz: es gibt gar keinen. Nein, auch nicht gegen exorbitante Extra-Euros oder für gute Worte beim Bespoke-Manager im RR-Werk, der für die anspruchsvolle Kundschaft quasi jeden Wunsch in die dann maßgeschneiderten Fahrzeuge umsetzt. Schnöde Drehzahlmesser sind bei Rolls-Royce nicht üblich. Basta! Stattdessen gibt es einen sogenannten Kraftreserveanzeiger, der aber im Prinzip eigentlich nur die Gaspedalstellung verrät. 

Vor der großen Ausfahrt durch die traumhafte Landschaft der südfranzösischen Provence rund um das Bergdörfchen Tourrettes, öffnen wir per Knopfdruck das riesige Stoffverdeck. Rund 22 Sekunden lang surrt das aufwändige Gestänge hinter die zweite Sitzreihe unter die nicht minder gewaltige Verdeckklappe.

 

Ganz unvornehm treten wir nun das rechte Pedal auf das hochfeste Bodenblech, sorry, natürlich liegt dazwischen noch die wohl feinste Lammfell-Auslegware für Fußmatten der Automobilgeschichte, die so hochfloorig und kuschlig weich ist, dass man am liebsten nur noch Barfuß fahren möchte. Zumindest die Beifahrerin lässt sich von dem zarten Fußschmeichler während der Fahrt verwöhnen.

Wir werden jetzt bei der Maximal-Beschleunigung, dank der beiden Turbolader, brutal in die duftenden Nappaledersitze gepresst. Jetzt glaubt man auch, dass unter der ewig langen Motorhaube auch wirklich ein Triebwerk verbaut ist, da man sonst außer einem leisen Rauschen der abrollender Räder nicht viel von der Technik zu hören bekommt – alles ist hier halt so richtig vornehm. Wie auch die beiden verkehrt herum öffnenden Türen, die eigentlich ein eigenes Kapitel verdient hätten. Zum einen beherbergen sie zwei stets trockene und gut belüftete Regenschirme zum anderen lassen sich die extrem schweren Türen auch noch elektrisch schließen – per Knopfdruck, auch die Beifahrertür von der Fahrerseite. Was für eine edle Show.