Porsche 911 R

Rarer Renner für die Straße

Von Wolfgang Wieland

Freunde, Fans und Fahrer der automobile Legende Porsche 911 fiebern dem 1. März 2016 entgegen. Warum? Da präsentieren die Zuffenhausener auf dem Genfer Autosalon eine echte Sensation. Stark, spektakulär und sehr selten: der 911 R wird enthüllt. Vorbild ist das gleichnamige Leichtbaumodell mit Türen aus Aluminium und einem Magnesium-Kurbelgehäuse aus Mitte der 60er Jahre, von dem nur rund 20 Stück gebaut wurden. Wahrscheinlich werden von dem neuen 911 R immerhin 600 Einheiten gebaut, in den Porschezentren liegen weltweit aber schon mehrere Tausend Bestellungen vor. Teilweise wurde die Ernsthaftigkeit des Kaufinteresses sogar mit Blankoschecks belegt.

 

Aber was macht diesen 911 R so begehrenswert? Nun ja, da ist zum einen die Entscheidung der Porsche-Bosse in 911 Carrera, Cabrio, Targa und Co. keine Saugmotoren, sondern nur noch Turbo-Triebwerke mit einem auf drei Liter reduziertem Hubraum zu verbauen. Kleinstserien und die motorsportlichen GT-Modelle mit Straßenzulassung, wie der 991 GT3 RS mit 500 PS aus 3,8 Litern, bilden hier die Ausnahme. Wegen der gewaltigen Nachfrage wurde die Bauzeit des RS sogar noch bis zum Sommer 2016 verlängert. Und nun soll genau dieser supersportliche Motor unter die Haube des neuen 911 R kommen. Mit semislickartiger Sportbereifung, 20-Zoll-Leichtmetallfelgen und Zentralverschluss. Auf Wunsch mit oder ohne Keramik-Bremsanlage und jetzt bitte aufgepasst: ohne das Doppelkupplungsgetriebe PDK. Dafür aber mit einer knackigen Siebengang-Handschaltung. Und auch ohne festen Flügel am Heck muss die leichte Mischung aus GTS und GT3 auskommen, lediglich ein ausfahrbarer Spoiler soll für den nötigen Anpressdruck sorgen. Nostalgie lässt grüßen. Mit großer Freude konnte uns Porsche-Motorsportchef Dr.-Ing. Frank-Steffen Walliser versprechen, dass auch im Carrera-Turbo-Zeitalter die Entwicklung der Saugmotoren von Porsche vorangetrieben wird. „Der Bau von hochdrehenden Saugern ist die Krönung im Motorenbau“, schwärmt Walliser sogar.

Um die Sportlichkeit der 911er-Baureihe zu unterstreichen, tritt Porsche seit Jahrzehnten in Sportwagenmeisterschaften an. Der diesjährige Saisonauftakt in Daytona-Beach (US-Bundesstaat Florida) startete für die Werksfahrer der Modelle 911 RSR in der GTLM-Klasse und GT3 R in der Klasse GTD schon mal perfekt. Bei strömendem Regen holten der Le-Mans-Gesamtsieger Nick Tandy und der Le Mans-, Daytona- und Spa-Sieger Jörg Bergmeister die ersten zwei Plätze, sogar noch vor den Boliden der deutlich schnelleren Prototypenklasse. Sauber!

 

Mit einer besonderen Geste hat Porsche in Daytona seiner Markenbotschafterin Angelique Kerber zum grandiosen Sieg bei den Australian Open gratuliert: An den hinteren linken Kotflügeln der beiden 911 RSR von Porsche North America brachte das Werksteam den Namen des Tennisstars sowie die deutsche Flagge an.

 

Auch einer der größten US-Sportstars, der Baseball-Pitcher C.J. Wilson startete in Daytona mit einem eigenen Cayman-GT4-Clubsport-Team. Der 35-jährige Kalifornier gilt nach Jay Leno und Ralph Lauren als wichtigster Petrol-Head der USA. Porsche Carrera GT, Rennwagen à la 962 und auch ein superleichter 1.100-Kilo-964 RS schmücken die Garagen des Multimillionärs. Selbstverständlich hat sich auch C.J., mit seinen hervorragenden Verbindungen nach Zuffenhausen, einen 911 R bestellt. In den nächsten Jahren werden wir C.J. öfter in Europa sehen, denn der leidenschaftliche Racer will in Le Mans, Spa und auf der Nordschleife des Nürburgrings, die er bis jetzt nur von seiner Playstation kennt, mit seinem Team antreten.

 

Eine echte Motorsportlegende ist der Gründer von Brumos Racing, Hurley Haywood. Der 67-jährige Dreifachsieger von Le Mans ist mit seinem Team zum ersten Mal seit Jahrzehnten nicht am Start von Daytona. Erst kürzlich hat er sein 1959 gegründetes Porsche-Imperium mit einem weinenden Auge verkauft. Immer war Hurley der größte Porsche-Händler im Süd-Osten der USA. Im exklusiven Daytona-500-Club erzählt leidenschaftliche Racer von seinem abenteuerlichen Rolex-24-Rennen in Daytona im Jahr 1973. Da flog ihm auf der Start-Ziel-Geraden eine Möwe in die Windschutzscheibe seines Porsche 911 2.7 RS und blieb stecken. Erst nach zwölf langen Runden konnte eine Ersatz-Windschutzscheibe gefunden werden und er durfte in die Box zum Austausch fahren. Brenzlich wurde es im Januar 2005, als der Porsche-Prototyp des damals 80-jährigen Hollywood-Stars und Hobby-Rennfahrers Paul Newman Feuer fing. Weil Newman zu schwach war, um selbst aus dem Auto zu steigen, halfen Hurley Haywood und sein Team, retteten Newman so sein Leben. Paul Newman zeigte sich danach einsichtig und stieg nie wieder in einen Rennwagen.

Unterm Strich holten die Porsche-Teams in Daytona zwei Podiumsplätze in zwei verschiedenen Klassen. Der 911 RSR von Porsche North America kam in der GTLM-Klasse auf den dritten Platz und sicherte sich so zum Saisonstart wichtige Meisterschaftspunkte. Die zweite Podiumsplatzierung holte der neue Porsche 911 GT3 R, der vom Kundenteam Black Swan Racing in der Klasse GTD eingesetzt wurde. Und so wurden wieder einmal wichtige Erkenntnisse im harten Renneinsatz gewonnen, die auch den Endkunden der straßenzugelassenen Porsche-Fahrzeuge zu Gute kommen. Keep racing!