Von Wolfgang Wieland
„Wat mut, dat mut!“ pflegt der Norddeutsche bei passender Gelegenheit zu sagen. Und wer sich zwischen der Schleswig-Holsteinischen Waterkant und Bayerns Bergen für einen richtigen Asphalt-Cowboy hält, sollte mal beim nächstgelegenen Ford-Händler den Mustang probefahren. Aber bitte mit der knackigen V8-Maschine. Wat mut, dat mut!
Bereits über 50 Jahre lang, genau seit 1965, erfreuen sich auch in Deutschland US-Car-Fans an dem legendären Bestseller aus Dearborn (US-Bundesstaat Michigan). Das liebevoll Pony-Car genannte Coupé heißt offiziell Fastback und war jahrzehntelang nur beim freien Importhändler zu haben oder wurde als Urlaubsmitbringsel im 20-Fuß-Container über den großen Teich geschippert. Seit letztem Sommer steht das ungezähmte Wildpferd, übrigens ist das bereits die sechste Generation, auch ganz normal zwischen Fiesta und Mondeo beim Ford-Händler.
Große Augen machen wir vor unseren ausführlichen Testfahrten beim Studieren der Preisliste. Der geschlossene Zweitürer kostet als GT mit dem Fünfliter-Achtzylinder und saftigen 421 Pferdchen unter der Haube nur 43.000 Euro. So viel Power in so einem schicken Blechkleid kostet bei deutschen Automachern mindestens doppelt so viel. Wo ist der Haken, fragt man sich unweigerlich, aber von außen schaut erst einmal alles sehr gut verarbeitet aus. Dank serienmäßigem Keyless-Go öffnen wir den Ruby-Rot-Metallicfarbenen Mustang mit dem Schlüssel in der Jackentasche. Die sportlichen Teilledersitze machen einen guten Eindruck, auch die seitlichen Kunstlederbahnen fassen sich alles andere als fies an. Das V8-Saug-Triebwerk wird mit dem Startknopf in der Mittelkonsole angeworfen und mit dem Gänsehautfeeling dank des dumpfen Brabbelns kommt auch das erste Grinsen ins Gesicht. Wir schalten sportlich per Hand durch die sechs Vorwärtsgänge, eine Automatik würde 2.000 Extra-Euro kosten. Die Schaltwege sind hakelfrei, kurz und knackig, auch hier gibt’s nichts zu meckern. Wir werden mutiger und stellen mit dem Hebel in der Mittelkonsole den Fahrmodus auf Sport plus. Jetzt ist alles noch knackiger und das ESP lässt nach einem unsensiblen Gasstoß ein leichtes Ausbrechen des Hecks zu. Aber auch nicht zu sehr, das Pferdchen lässt sich gleich wieder einfangen und man fühlt sich so stets sicher. Ein lustiger Fehler ist den Ford-Programmierern bei der deutschen Übersetzung vom „Track“-Modus unterlaufen. Hier steht doch glatt „Gelände“. Da der Hecktriebler mit seiner sportlichen Bodenfreiheit aber weder optisch noch technisch nur eine Runde auf dem Offroad-Parcours überleben würde, bleiben wir brav auf seinem klassischem Element, dem aalglatten Asphalt. Da sprinten wir voller Wonne von null auf Tempo 100 in nur 4,8 Sekunden. Vmax ist, elektronisch abgeregelt, bei 250 erreicht. Gern lassen wir beim Ampelstart auch mal kurz die Hinterreifen quietschen, machen doch echte Asphalt-Cowboys so, oder?
Und wo war jetzt der Haken nach so viel Vergnügen? Naja, der werksseitig angegebene Verbrauch von 13,5 Litern auf 100 Kilometer ist unter realen Bedingungen wohl nicht zu erreichen. Mit etwas Herz und viel Fahrspaß landet man schnell bei fast 20 Litern. Der Wendekreis von über zwölf Metern ist schon Lkw-like und echt unpraktisch. Die nicht verstell- oder abschaltbaren Lüftungsdüsen in den Türen, die eigentlich nur die Seitenfenster klar halten sollen, ziehen stets auch ins Gesicht von Fahrer und Beifahrer, das ist sicherlich nicht jedermanns Sache. Und die Handbremse braucht schon einen äußerst gut trainierten Oberarm, um nach oben gezogen zu werden. Auch das Lösen derselben ist ohne Hanteltraining im Fitnessstudio kaum machbar. Unterm Strich ist der Mustang GT als handgeschaltetes Coupé ein echtes Männerfahrzeug. Mädchen sollten lieber zur Cabrio-Version mit Automatik greifen. Schließlich war der allererste Mustang auch das Lieblingsfahrzeug von Kult-Schauspieler Steve McQueen, der sein racinggrünes Coupé 1968 in „Bullitt“ in einer minutenlangen und gnadenlosen Verfolgungsjagd über die Straßen von San Francisco jagte.
Technische Daten: Zweitüriges Sportcoupé mit vier Sitzen, Länge: 4,78 Meter, Breite: 1,92 Meter (mit Außenspiegeln: 2,08 Meter), Höhe: 1,38 Meter, Radstand: 2,72 Meter, Wendekreis: 12,2 Meter, Kofferraumvolumen: 408 Liter, Tankinhalt: 61 Liter, Leergewicht: 1.720 Kilogramm, Motor: 5,0-Liter-V8-Benziner, Leistung: 421 PS, maximales Drehmoment: 530 Newtonmeter bei 4.250 U/min, Sechsgang-Handschaltgetriebe, Hinterradantrieb, 0-100 km/h: 4,8 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h, Durchschnittsverbrauch: 13,5 Liter/100 Kilometer, CO2-Emission: 299 g/km, Abgasnorm: Euro 6, Effizienzklasse: G, Preis: ab 43.000 Euro.