Von Wolfgang Wieland
Einer der faszinierendsten Sportwagen dieses Jahrzehnts ist der Jaguar F-Type. Er ist nicht nur der einzig wahre und würdige Nachfolger des legendären E-Type aus den 60er- und 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts, sondern auch ein echter Konkurrent zu anderen Sportwagen-Ikonen. Den E-Type sieht man heute nur noch selten, auf Oldtimer-Rallyes oder aber auch im New Yorker Museum of Modern Art (MoMA).
Der F-Type hingegen verdreht den Passanten auf den Boulevards die Köpfe und steht beim Jaguar-Händler in 32 verschiedenen Varianten hinter den Schaufensterscheiben. 16 Antriebs- und Getriebekombinationen gibt es als Coupé und 16 als Cabriolet. Wir entscheiden uns für ein knackiges Modell namens Jaguar F-Type 400 Sport. Den mit ohne Dach: das heckgetriebene Cabrio für mindestens 106.350 Euro. Als Allradler ist das sexy Biest ab 112.200 Euro zu haben.
Schon der Anblick der fast viereinhalb Meter langen Raubkatze sorgt für die erste Gänsehaut des Tages. Bei der Rückansicht sieht man zwei runde, mittig zentrierte und verchromte Auspuffendrohre und rundherum einen angedeuteten Rennwagen-Diffusor, noch dynamischer und noch emotionaler geht’s nicht. Da dieses Oben-ohne-Vergnügen seine Höchstgeschwindigkeit erst bei Tempo 275 elektronisch abregelt, könnte man ja damit einige schnelle Runden auf der Nordschleife des Nürburgrings drehen.
So um die siebeneinhalb Minuten brauchen die Profis für den 22,8 Kilometer langen Rundkurs, eine echte Traumzeit, die auch nicht jeder Supersportwagen erreicht. Bei diesem Ritt durch die Eifel wird die Werksangabe des durchschnittlichen Verbrauchs von 8,6 Litern Super plus auf 100 Kilometer natürlich mehr als verdreifacht. Aber auch im Alltag und mit einem Minimum an Fahrspaß lässt sich das V6-Kompressor-Triebwerk selten unter 12 Litern bewegen.
Wir entscheiden uns dann lieber für das lockere Cruisen durch das herbstliche Berlin, denn die angenehmen Temperaturen verleiten auch noch im Oktober das mehrlagige Stoffverdeck aus Verbundgewebe zu öffnen. Das dauert vollautomatisch genau zwölf Sekunden und ist auch noch bei Geschwindigkeiten von bis zu 50 km/h möglich.
Mit dem Drücken des runden, schwarzen Startknopfs kommt die zweite Gänsehaut, die diesmal den gesamten Körper erfasst. Ein infernalischer Rennwagen-Sound lässt im Umkreis von 250 Metern die Gespräche verstummen und die Augen und Ohren der Spaziergänger größer werden. Aber nicht jedermann goutiert solche Motorengeräusche, einige wenden sich kopfschüttelnd ab, ein Taxifahrer mit seinem qualmenden Diesel-Benz aus den 1980er-Jahren senkt den Daumen nach unten. Neid?
Da wir diesen bollernden Boliden gern auch während der Fahrt soundoptimiert bewegen wollen, müssen noch drei Einstellungen in der Mittelkonsole zwischen den beiden vollledernen Sportsitzen vorgenommen werden. Erstens die Taste mit dem Auspuff-Symbol drücken, das öffnet die Klappen. Zweitens den Fahrmodus „Dynamic“ wählen, das schärft das ganze System und ist, wenn man denn den Allradantrieb dazugebucht hat, auch bei nassem Untergrund noch äußerst kontrolliert zu fahren. Und zu guter Letzt muss der Gangwählhebel auf „S“, wie Sport. Mit dieser Konfiguration teilt man die Nation in zwei Lager. Für die einen erklingt nun mit viel Krawall, Geballere und simulierten Fehlzündungen die herrlichste Symphonie der Welt, für die anderen fährt nur noch ein weiterer Poser den über den Asphalt der deutschen Hauptstadt.